Bereits heute mangelt es in Deutschland an Hunderttausenden Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, und der demografische Wandel verschärft dieses Problem. Dieses Problem will die Koalitionsregierung aus SPD, Grünen und FDP mit dem neuen Einwanderungsgesetz lösen, das das Land für ausländische Fachkräfte attraktiver machen soll. Der im März erstellte Gesetzentwurf, bei dem sich die Regierung schließlich auf einige Nachbesserungen geeinigt hat, soll heute im Bundestag abgestimmt und angenommen werden. Was beinhaltet die Einwanderungsreform?
Beantragung einer Blauen Karte EU leicht gemacht
Die Blaue Karte EU wird weiterhin ein zentrales Element der Fachkräftemigration bleiben. Bei dieser Karte handelt es sich um eine besondere Aufenthaltserlaubnis für Personen, die aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) stammen und über eine abgeschlossene Hochschulausbildung verfügen. Mit dem Gesetzentwurf zur Erleichterung der Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland werden die aktuellen Gehaltsschwellen für die Aufnahme eines Arbeitsplatzes in Deutschland drastisch gesenkt. Das erforderliche Mindestbruttoeinkommen für Hochschulabsolventen, die mit der Blauen Karte nach Deutschland kommen, wird auf 3.500 Euro pro Monat gesenkt. Für Blue-Card-Inhaber wird es außerdem einfacher, den Chef zu wechseln, Familien zusammenzuführen und einen dauerhaften Wohnsitz in der EU zu erhalten.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, qualifizierten Arbeitnehmern die Ausübung „jedes qualifizierten Berufs“ zu ermöglichen, also einen Beruf, der über ihre ursprüngliche Qualifikation hinausgeht. Beispielsweise kann ein qualifizierter Mitarbeiter, der als Arbeitskraft im Bereich Büroverwaltung anerkannt ist, auch als qualifizierter Mitarbeiter im Bereich Logistik beschäftigt werden. Für IT-Fachkräfte ist vorgesehen, dass sie die Blaue Karte EU auch ohne Hochschulabschluss erhalten können, wenn sie weitere Qualifikationen nachweisen können.
Mehr Bildungseinwanderung
Die Koalitionsregierung will außerdem die Bildungsmigration stärken, also die Möglichkeit, für eine Berufsausbildung oder ein Studium nach Deutschland zu kommen und für immer zu bleiben. Ziel ist es beispielsweise, ausländischen Studierenden die Möglichkeit zu geben, hier als Praktikanten ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Darüber hinaus ist vorgesehen, dass der Aufenthalt zur Studienplatzsuche durch die Anhebung des Höchstalters für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erheblich erleichtert wird. Im Falle einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs wird die maximale Aufenthaltsdauer für die Aufenthaltserlaubnis auf neun Monate erhöht und eine Beschäftigung und Probebeschäftigung erlaubt.
Punktesystem für Personen mit ausländischen Diplomen
Für Personen, die über eine ausländische Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss mit einer Mindestlaufzeit von zwei Jahren verfügen, ist ein „Opportunity Card“-Antrag auf Basis eines Punktesystems vorgesehen. Ein Präzedenzfallmodell wird derzeit in Kanada verwendet. Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Kontakte zu Deutschland gehören zu den Kriterien, die für die Beantragung einer Opportunity Card erfüllt sein müssen. Die Opportunity Card soll Einwanderern die Möglichkeit einer Probearbeit oder einer Teilzeitbeschäftigung bieten.
Familientreffen für Fachkräfte
Mit dem voraussichtlich im Bundestag angenommenen Gesetzentwurf sollen die Möglichkeiten der Familienzusammenführung für aus dem Ausland kommende Fachkräfte erweitert werden. Während der im März vorgelegte Gesetzesentwurf eine „Kernfamilienzusammenführung“ ermöglicht, sollen nach einigen von der Regierung beschlossenen Verbesserungen beispielsweise die Eltern einer ausländischen Fachkraft nach Deutschland kommen können.
Mehr Möglichkeiten für Asylbewerber
Asylbewerber, deren Verfahren noch im Gange sind, haben im Falle der Verabschiedung des Gesetzentwurfs die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu beginnen. Dies wird jedoch nur rückwirkend möglich sein, um keine „falschen Anreize“ für eine unsystematische Migration zu schaffen, und diese Möglichkeit wird neuen Asylbewerbern nicht eingeräumt. Dem Gesetzentwurf zufolge können ab dem 29. März 2023 nur diejenigen von dieser Möglichkeit profitieren, die sich derzeit im Asylverfahren befinden.
Mehr Flexibilität bei Aufenthaltsgenehmigungen
Bisher sah das Aufenthaltsgesetz vor, dass die Einreise nach Deutschland immer mit einem Visum für ein bestimmtes Ziel erfolgen sollte. Das bedeutet beispielsweise, dass eine Person, die mit einem Touristenvisum nach Deutschland einreist und innerhalb kurzer Zeit ein Jobangebot in Deutschland erhält, zunächst das Land verlassen und ein neues, zweckgebundenes Visum beantragen muss. Zukünftig ist dies nicht mehr erforderlich und das Visum kann während des Aufenthalts in Deutschland in der entsprechenden Form geändert werden.
AFP/AU,TY
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