In Deutschland sind die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Maschinistengewerkschaft GDL ins Stocken geraten. Sollte die Gewerkschaft Deutscher Maschinisten (GDL) den von ihr ausgerufenen sechstägigen Streik umsetzen, wäre dies der längste Eisenbahnstreik in der Geschichte Deutschlands. Der Streik beginnt am Mittwoch. Im Güterverkehr halten die Züge sechs Tage bis Montagabend, im Personenverkehr beträgt dieser Zeitraum 5 Tage und 16 Stunden. Es wird davon ausgegangen, dass die Rückkehr zum regulären Flugverkehr bis kommenden Dienstag dauern kann.
Die GDL stand auch hinter dem bislang längsten Bahnstreik in Deutschland. Im Mai 2015 legten Maschinisten im Rahmen des achten Streiks der damaligen Tarifverhandlungsart ihre Arbeit für mehr als fünf Tage nieder. Der neunte Streik, der für unbefristet erklärt wurde, endete jedoch drei Tage später schließlich mit einem Kompromiss durch erfolgreiche Vermittlung.
Der Unterschied zwischen Frankreich, dem Land der Streiks, und Deutschland
Frankreich ist ein Land, in dem es deutlich häufiger zu Streiks kommt als in Deutschland. Frankreich hat andere Machtstrukturen und eine andere „Streikkultur“ als Deutschland. Damit sind die Franzosen im Streik Europameister. In Frankreich ist das Streikrecht ein Grundrecht mit Verfassungsrang. Jeder kann streiken, und Streiks können auch als Instrument zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt werden.
In Deutschland dürfen nur Gewerkschaften zu Streiks aufrufen. Streiks können nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Forderungen durchgeführt werden. Während der Geltungsdauer des Tarifvertrages besteht für die Parteien eine Friedenspflicht, das heißt Streiks sind untersagt. Auch nach Auslaufen des Tarifvertrages besteht für die Parteien die Pflicht zu verhandeln, bevor der Streik rechtmäßig durchgeführt werden kann. Während der Verhandlungen sind nur vorübergehende Warnstreiks zulässig.
Ein Jahr ohne Eisenbahnstreik ist in Frankreich selten. Der wichtigste Streik, der im Frühjahr 2020 aus Protest gegen die von der Regierung Emmanuel Macron geplante Rentenreform stattfand, dauerte mehr als sechs Wochen. Die französische Staatsbahn SNCF konnte während des Streiks häufigere Zusatzverbindungen anbieten. Allein ihre direkten Verluste schätzte die SNCF damals auf rund eine Milliarde Euro. In Frankreich streikten die Eisenbahner im Winter 1986 28 Tage und im Winter 1995 22 Tage.
In Deutschland wird ein höherer wirtschaftlicher Schaden befürchtet
Ökonomen befürchten, dass der von der GDL organisierte Streik großen wirtschaftlichen Schaden anrichten wird. „Ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik kostet rund 100 Millionen Euro pro Tag an Wirtschaftsleistung“, sagt Michael Grömling, Leiter der Konjunkturforschung am chefnahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).
Grömling weist darauf hin, dass sich die Lieferketten aufgrund der Situation im Roten Meer und der Schließung einer wichtigen Rheinbrücke in Leverkusen bereits in einer schwierigen Situation befänden. Der deutsche Ökonom betont, dass Unternehmen ihre Produktion aufgrund mangelnden Angebots einschränken müssen und ein Produktionsausfall droht.
Grömling erklärte, dass die Kosten aufgrund der Dauer des sechstägigen Streiks nicht linear, sondern teilweise exponentiell steigen würden: „Wir werden in kurzer Zeit einen Verlust von einer Milliarde Euro erleiden.“
Sofern die Deutsche Bahn nicht in letzter Sekunde ein Angebot unterbreitet, das die GDL als Verhandlungsbasis akzeptiert, und der Streik nicht abgebrochen wird, könnte der derzeit laufende Streik zum wertvollsten Streik in der deutschen Nachkriegsgeschichte werden.
DW/EC, HT
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D.W.