Auf Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, steigt der Druck, während des Asylverfahrens zu arbeiten. Die Anwendung der Prepaid-Kreditkarte, die beim Treffen von Ministerpräsident Olaf Scholz und den Ministerpräsidenten der Länder im November letzten Jahres vereinbart wurde, wurde erstmals in einer Kommune im Bundesland Thüringen in Kraft gesetzt. Viele Kommunen in anderen Bundesländern haben es bereits umgesetzt oder bereiten sich darauf vor, dies in Kürze zu tun. Geplant ist, dass Prepaid-Karten bis Ende des Jahres bundesweit eingeführt werden.
Die Hauptfunktion von Prepaid-Karten besteht darin, Barzahlungen an Flüchtlinge zu verhindern. Es gibt auch einige Einschränkungen bei der Verwendung der Karte. Zunächst muss die Prepaid-Mastercard am Wohnort erworben werden. Eine Barzahlung oder Überweisungen innerhalb und außerhalb Deutschlands sind nicht möglich.
Obligatorische Reinigungsarbeit
Das ostdeutsche Bundesland Thüringen machte Schlagzeilen, indem es nicht nur Prepaid-Karten einführte, sondern auch die Arbeit als Reinigungskraft für Flüchtlinge verpflichtend vorschrieb. Ein Kommunalvorsteher der Provinz machte es erforderlich, dass die Asylbewerber die Reinigungsarbeiten im Flüchtlingswohnheim innerhalb der Gemeindegrenzen selbst erledigen. Wer sich nicht um die Reinigung seiner Unterkunft und der Umgebung des Wohnheims kümmert, muss einen Abzug von 180 Euro von seinen monatlichen Zahlungen erhalten.
Tatsächlich ist die Arbeitspflicht für Asylbewerber nichts Neues. Zu diesem Thema gibt es schon seit längerem eine gesetzliche Regelung. Regelmäßige Arbeit gegen Entgelt ist von dieser Regelung jedoch nicht erfasst. Nach der aktuellen Regelung ist es Asylbewerbern in den ersten drei Monaten gesetzlich nicht gestattet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Danach gibt es schrittweise Regelungen zur Beschäftigung, abhängig von Kriterien wie etwa der Frage, ob man minderjährige Kinder hat oder ob man in einem Flüchtlingsheim untergebracht ist. Eine Arbeitserlaubnis wird in der Regel erst sechs Monate nach Antragstellung erteilt.
Der Erhalt einer Arbeitserlaubnis bedeutet jedoch nicht, dass Flüchtlinge schnell einen Job finden können. Etwa 700.000 Menschen, insbesondere Syrer und Afghanen, aus den acht Ländern mit den meisten Asylanträgen nach Deutschland, galten im Februar 2024 als „erwerbsfähig“. Aber selbst die Hälfte von ihnen konnte keine Arbeit aufnehmen. Andere besuchen entweder die Schule oder Berufsschule, nehmen an Sprach- oder Integrationskursen teil oder arbeiten im Bildungs- und Betreuungsbereich. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit suchen mehr als zwei Drittel der Arbeitssuchenden aus diesen acht Ländern ausschließlich nach Jobs auf der Ebene „Helfer“. In Deutschland besteht für diese Art von Arbeit kein großer Bedarf an Personal.
Ausgleichszahlung anstelle des Lohns
Allerdings ist es Asylbewerbern rechtlich möglich, bis zu vier Stunden am Tag für die Gemeinnützigkeit zu arbeiten. Zu den Einsätzen, die gegen eine Entschädigung von 80 Cent pro Stunde erfolgen, gehören auch Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die das Land verlassen müssen.
Diese Möglichkeit, die Kommunen bisher nicht genutzt haben, habe mehrere Vorteile, meint CDU-Parteipolitiker Christian Herrgott, der in der Gemeinde Saale-Orla in Thüringen die Reinigungspflicht eingeführt hat. Herrgott weist darauf hin, dass die Arbeitspflicht Asylbewerbern Beschäftigungsmöglichkeiten bietet, die derzeit keine Möglichkeit haben, einen regulären Job zu bekommen, und führt auch aus, dass beispielsweise die Erledigung der Reinigungsarbeiten ohne Bezahlung einer Reinigungsfirma den Flüchtlingen zu mehr Lebensqualität verhelfe in der Gesellschaft akzeptiert.
Im Gespräch mit der Zeitung „Welt“ sagte Herrgott: „Es geht darum, ein Stück davon an die Steuerzahler zurückzugeben, die das ganze Geld gezahlt haben. Wir prüfen auch andere Einsatzmöglichkeiten in gemeinnützigen Bereichen, etwa bei Vereinen.“
Es ist kein Zufall, dass Thüringen herausragt
Mit dieser Initiative erlangte der CDU-Politiker großen Rückhalt in der Gesellschaft. Laut der Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Insa befürworten 82 Prozent der Teilnehmer die Idee, Flüchtlinge zu beschäftigen. Auch die Unterstützung für den Einsatz von Prepaid-Karten liegt mit 72 Prozent auf einem hohen Niveau.
Es ist kein Zufall, dass hinter beiden Praktiken Politiker aus Thüringen und der CDU stehen. Im September finden im Bundesstaat Kommunalwahlen statt. Den Umfragen zufolge liegt die rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) mit 30 Prozent der Stimmen vorne. Die CDU hat einen Stimmenanteil von rund 20 Prozent und hofft, die AfD-Wähler mit einer harten Haltung gegenüber Flüchtlingen für sich zu gewinnen.
Das Zielland vieler Flüchtlinge ist Deutschland
Gleiches gilt für das Nachbarland Sachsen. Die AfD führt das Rennen um die Wahlen im September an. Der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert, die Zahl der nach Deutschland aufzunehmenden Flüchtlinge auf 50.000 bis 60.000 pro Jahr zu begrenzen. Die CDU und ihre Schwesterpartei in Bayern, die Christlich-Soziale Union (CSU), hatten jahrelang von einer Zahl von 200.000 gesprochen.
Die aktuellen Zahlen liegen weit darüber. Das Ziel vieler Flüchtlinge, die nach Europa kommen, ist Deutschland. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 330.000 Asylanträge gestellt. Das bedeutet, dass 30 Prozent der Anträge an alle 27 EU-Mitgliedsstaaten gerichtet werden. Trotz der schlechten Wetterbedingungen ging die Zahl der Asylanträge im Januar nicht zurück. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beantragten im Januar rund 26.000 Menschen Erstasyl.
Es mangelt an Unterkünften und Kinderbetreuung
Asylbewerber, die nach Deutschland kommen, werden zunächst nach strengen Kriterien auf 16 Bundesländer verteilt und vorübergehend in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Allerdings erhöht der ständige Zustrom neuer Flüchtlinge den Druck auf die Staaten und die Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Die Staaten versuchen, ankommende Flüchtlinge so schnell wie möglich an die Kommunen weiterzuleiten. Die Kommunalverwaltungen, die für die Unterbringung, die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse und ihre Integration verantwortlich sind, sind mit der Bereitstellung von Angeboten wie Unterkünften, Kindergärten, Schulen, Deutsch- und Integrationskursen überfordert.
Eine Obergrenze ist gesetzlich nicht möglich
Die erlebten Probleme wirkten sich auch negativ auf die Atmosphäre in der Gesellschaft gegenüber Flüchtlingen aus. Während die Zustimmung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zurückgegangen ist, haben die Zweifel an der Einwanderung und die Sorge vor deren negativen Auswirkungen zugenommen.
Obwohl Ministerpräsident Olaf Scholz einräumt, dass die Zahl der Flüchtlinge, die ins Land kommen, sehr hoch ist und es so nicht weitergehen kann, lehnt er die von den Unionsparteien (CDU/CSU) geforderte Festlegung einer Obergrenze ab. Da Asyl zudem ein persönliches Grundrecht ist, bedarf es einer Verfassungsänderung für eine Regelung, die dieses Recht einschränken würde.
Die Attraktivität Deutschlands nimmt ab
Aus diesem Grund denken viele Politiker darüber nach, die Attraktivität Deutschlands im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu reduzieren. Zu den Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, gehören Prepaid-Karten oder die Notwendigkeit, arbeiten zu müssen.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz, der voraussichtlich 2025 für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert, versucht, dieses Thema auf der Tagesordnung zu halten. Zu Prepaid-Karten sagte Merz im Bundestag im Februar: „Die Zahl der Asylantragsteller dort, wo sie eingeführt werden, ist schlagartig zurückgegangen. Denn die Barzahlung, die einen wichtigen Platz unter den Aufenthaltsgründen einnimmt, wurde plötzlich eingestellt.“
Asylverfahren beschleunigen
Migrationsforscher halten es für verfrüht, solch allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen, da nicht genügend Daten verfügbar sind. Aufgrund des rasanten Aufstiegs der rechtsextremen AfD, der Europawahl im Juni und der im Herbst anstehenden Wahlen in verschiedenen Bundesländern und Kommunen steht dieses Thema jedoch im Fokus der Politik.
Andererseits prüft das Bundesinnenministerium rechtliche Möglichkeiten, inwieweit Asylverfahren in Länder außerhalb der EU verlagert werden können. Unterstützt wird dieser Plan nicht nur von CDU und CSU, sondern auch von der regierenden Sozialdemokratischen Partei (SPD) und den Grünen. Die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer haben die Bundesregierung aufgefordert, bis Juni über die Ergebnisse der Prüfung zu berichten.
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D.W.