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Kommentar: Deutsche Wähler stärken kleine Parteien

Es ist Zeit für Veränderung. Die Entscheidung der deutschen Wähler ist eindeutig: Die Zeit der „Großen Koalition“ auf Basis des Basiskonsenses muss nun zu Ende gehen. Zu lösende Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung und Modernisierung Deutschlands sollten schnellstmöglich angegangen werden. Diese mächtigen Aufgaben müssen nun mit kleinen Parteien angegangen werden. Bei allen denkbaren Koalitionsmöglichkeiten haben sowohl die Grünen als auch die Freien Demokraten eine wertvolle Wortstellung. Ohne sie geht nichts. Und das ist angemessen. Vermutlich kann sich in diesem Fall eine neue „liberale Mitte“ im politischen Spektrum herausbilden.

Teure „grüne“ Braut

Der wertvolle Anstieg der Grünen zeigt deutlich, dass die Panik vor den Folgen des globalen Klimawandels bei den Wählern angekommen ist. Mit dieser starken Verstärkung gehen die Grünen mit großer Zuversicht in die Koalitionsgespräche. Sie sind fast wie eine Braut, die jedermanns Liebling ist und deren Mitgiftkosten ziemlich salzig sind. Doch Deutschland will weniger Veränderung, als sich die Ministerpräsidentenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, erhofft hat. Vor allem, wenn der finanzielle Aufwand für die Änderungen hoch ist. Tatsächlich zeigt das Ergebnis der Wahlurne diese Situation deutlich.

Auch die Freien Demokraten stimmen zu

Andererseits scheint eine Regierungsbildung ohne die FDP nicht möglich. Die Liberalen sehen sich als wichtige Stabilisatoren und es wird stark erwartet, dass sie einige der Bestrebungen der Grünen durchkreuzen. Freie Demokraten vertrauen auf einen freien Markt, legen Wert auf Digitalisierung und Bürokratieabbau und wollen Klimaschutz ohne Steuererhöhungen. Wie das alles möglich sein soll, werden sie ihren Gesprächspartnern in den Koalitionsgesprächen erklären müssen.

Die Einheit der Christen kam zur Konsequenz der Opposition

Klarer Wahlsieger ist die Christliche Union aus CDU/CSU. In früheren Umfragen war jedoch mit weiteren Stimmenverlusten gerechnet worden. Allerdings ist das dramatische Minus des Ergebnisses nicht zu übersehen. Der CDU-Ministerpräsidentenkandidat Armin Laschet war als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen recht erfolgreich, konnte die Wähler aber bundesweit nicht ganz überzeugen. Auch die Situation ihrer Schwesterpartei CSU in Bayern ist nicht sehr rosig. Denn seit 1949 hat die Union der Christlichen Gemeinschaften bei Bundestagswahlen das schlechteste Ergebnis in der offenen Halbzeit erzielt. Nach 16 Jahren Regierungszeit ist die Christliche Union an dem Punkt angelangt, die Mission der Opposition zu übernehmen.

DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge

Jamaikanische Koalitionsoption

Dennoch wird die CDU/CSU alles versuchen, um eine Regierung zu bilden – eine buchstäblich jamaikanische Koalition aus Schwarz, Grün, Gelb, mit den Grünen und der FDP. Dies ist auch dann möglich, wenn es sich um die zweitstärkste Partei handelt. Entscheidend wird sein, wer es schafft, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stellte die Kanzlerin dreimal den stärksten Cluster nicht.

Merkel 2.0

Olaf Scholz, der die SPD bei dieser Wahl zur stärksten Partei gemacht hat, hat nun einen stärkeren Prozess vor sich. Obwohl er einen Haareinsatz gewann, lief er erfolgreich ein beispielloses Rennen. Die Sozialdemokraten zeigten sich in den Umfragen zu Beginn des Wahlkampfs mit einer Stimmenquote von rund 12 Prozent recht schwach. Die einst mächtige Massenpartei befand sich in einem Zustand der Verflachung. Olaf Scholz hat es geschafft, diese Situation umzukehren. Doch seine persönlichen Ziele und das, was ihm wirklich wertvoll ist, bleiben noch unklar. Ein bisschen wie ein „Merkel 2.0“-Look. Vorhersehbar, objektiv, frei von schweren Gefühlen. Zweifellos hat dieses von ihm gezeichnete Profil die Wertschätzung der Wähler gewonnen.

Rot-Gelb-Grün-Option

Jetzt muss Olaf Scholz sein Können zeigen. Wenn er der nächste Ministerpräsident werden will, muss er eine Koalition mit den Grünen und den Liberalen aushandeln. Ihr Ziel soll es sein, das Bündnis Rot-Gelb-Grün (Sozialdemokraten-Freidemokraten-Grüne), auch „Ampelkoalition“ genannt, zu gründen. Es wird nicht einfach. Weil sie bei Wetten wie der Klima- und Umweltpolitik Zugeständnisse an kleine Parteien machen muss. Genau das Gleiche wird auch die im Hinterhalt lauernde CDU versuchen.

offen

Auch wenn das Schicksal des Koalitionsprozesses jetzt ungeklärt erscheinen mag, sicher ist, dass die Deutschen die Fortsetzung der Politik von Angela Merkel nicht mehr wollen. Macht und Einfluss der Massenparteien CDU und SPD haben im Vergleich zu den Vorjahren erheblich abgenommen.

Die deutsche Politik wird bunter. Dies ist eine Gelegenheit, die wertvollen Wetten der Zukunft anzugehen: klimafreundlich und digital.

Manuela Kasper-Claridge

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