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Deutschlands Test mit der Schuldenbremse

Die Voraussetzungen sind klar: In Deutschland darf der Staat nur so viel Geld ausgeben, wie er in seine Kassen einbringt. Die Verfassung sagt es so. Es heißt „Schuldenbremse“. In Ausnahmefällen wird diese Schuldenbremse aufgehoben und dem Staat wird die Möglichkeit gegeben, weitere Schulden aufzunehmen. Zwischen 2014 und 2019 hat sich die Bundesverwaltung an die Regeln gehalten und die Haushalte waren stets ausgeglichen.

Doch die Corona-Pandemie und der darauffolgende Krieg, der mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begann, erschütterten die Stabilität. Der Bundestag hat die Schuldenbremse mehrfach aufgehoben, wodurch der Staat Kredite in Milliardenhöhe aufnehmen konnte. Eigentlich wollte Finanzminister Christian Lindner damit Schluss machen und den Haushalt konsolidieren, nun muss er die Schuldenbremse rückwirkend für 2023 zurückstellen.

Es besteht ein Defizit von mindestens 60 Milliarden Euro…

Der bisherige Finanzplan der Bundesregierung ist hinfällig geworden, nachdem das Verfassungsgericht den Klima- und Transformationsfonds (CTF) wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben hat. KTF ist ein Fonds, in den die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP nach der Machtübernahme im Jahr 2021 die durch die Corona-Pandemie verbliebenen und ungenutzten Kreditbefugnisse in Höhe von 60 Milliarden Euro übertragen hat .

Die Richter des Verfassungsgerichts sagten „Nein“ zum Plan der Bundesregierung, Notkredite zurückzustellen und sie bei Bedarf für andere Zwecke zu verwenden, was die Regierung überraschte. Es besteht Verzweiflung darüber, welche Schritte gegen diese Entscheidung des Gerichts unternommen werden sollen. Darüber hinaus ist KTF nicht das einzige private Vermögen im Besitz der Regierung. Es gibt noch ein weiteres Privatvermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, das für die Bundeswehr vorgesehen ist. Da dieser Fonds aber verfassungsrechtlich verankert ist, wird er von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs höchstwahrscheinlich nicht betroffen sein.

Anders sieht es beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aus. Durch diesen rund 200 Milliarden Euro schweren Krisenfonds werden vor allem die Strompreise gebremst. Der Großteil der für dieses Ziel im Jahr 2022 verwendeten Mittel wurde in den Jahren 2023 und 2024 als Aufwandsposten abgeschrieben.

Koalition unter Schock

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner beschloss vorsorglich, den Haushalt einzufrieren. Zu dieser Entscheidung erklärte Lindner, er wolle vor den Verhandlungen über den Haushaltsplan 2024 „Aufräumarbeiten durchführen“ und die aktuell aus dem WSF-Fonds gezahlten Strom- und Erdgasgelder mit einem Nachtragshaushalt absichern.


Christian LindnerFoto: Kay Nietfeld/dpa/picture Alliance

Was passiert also als nächstes? Bei SPD, Grünen und FDP sieht es gemischt aus. Ein Grund dafür ist, dass die drei Parteien grundsätzlich sehr unterschiedlich sind. Die Koalition besteht aus zwei linken Parteien und einer liberalen Wirtschaftspartei. Die liberale FDP pocht seit ihrem ersten Regierungsantritt auf eine schnellstmögliche Umsetzung der Haushaltsanpassung und der Schuldenbremse. Das Beharren von SPD und Grünen liegt auf der Umsetzung sehr kostspieliger Klimapolitik und sozialer Ziele.

Klimaschutz, Sozialpolitik, Schuldenbremse

Werden wir an diesem Punkt also darauf verzichten, Milliarden von Euro auszugeben, um eine CO2-neutrale Wirtschaft zu schaffen und das Klima zu schützen? Die Grünen werden einen solchen Beschluss nicht unterzeichnen. Die SPD hingegen wird große Einschnitte bei Sozialleistungen und Renten niemals akzeptieren. Andererseits scheint es für die FDP unmöglich, dem mächtigen Teil zuzustimmen, mehr Steuern zu zahlen oder die Schuldenbremse erneut aufzuheben.

Es gibt viele Menschen in SPD und Grünen, die sich an der Schuldenbremse stören. Unter denjenigen, die diese beiden Parteien angesichts der neuen Konjunkturinformationen in Deutschland unterstützen, sind viele Ökonomen. Im Vergleich dazu ist es für Deutschland sehr schwierig, mit einer strikten Sparpolitik im globalen Wettbewerb erfolgreich zu sein.

Schreckliche Wachstumsaussichten

Ist Deutschland erneut zum kranken Mann Europas geworden? Bei der Auswertung der verfügbaren Daten ist es nicht einfach, zu einem anderen Schluss zu kommen. Während viele Länder der Welt ein Wirtschaftswachstum verzeichnen, kann sich Deutschland nicht erholen. Tatsächlich befindet sich das Land im Jahr 2023 in einer Rezession. Seit der Corona-Pandemie verzeichnet Deutschland das niedrigste Wirtschaftswachstum in der Eurozone. Es besteht kein Bild davon, dass sich diese Situation kurzfristig ändern wird.

Die deutsche Wirtschaft ächzt unter hohen Strompreisen und der Belastung durch qualifizierte und einfache Arbeitskräfte. Verkehrswege, also Schienen, Autobahnen und Brücken, sind in einem schlechten Zustand, ebenso öffentliche Gebäude, insbesondere Schulen und Universitäten. Die digitale Infrastruktur kann die Erwartungen nicht erfüllen und der Übergang zur Elektrifizierung mit erneuerbaren Energien schreitet deutlich langsamer voran, als er sein sollte.


Der deutschen Wirtschaft droht eine schwere RezessionFoto: inimage/IMAGO

Kämpfen während einer Krise

Andere Länder nehmen Kredite auf, um ihre Wirtschaft zu unterstützen und zu modernisieren. Das beste Beispiel hierfür sind die Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Die Regierung von Joe Biden hat den Inflation Reduction Act im Wert von rund 740 Milliarden US-Dollar erlassen. Mit diesem Programm sollen neben Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels auch die Umstellung der US-Wirtschaft auf erneuerbare Energien und die Umgestaltung des Steuersystems finanziert werden.

Auch auf internationaler Ebene besteht die Neugier, welchen Weg Deutschland einschlagen wird. Dass die größte Volkswirtschaft Europas ihre Investitionen kürzt und weniger ausgibt, werden zunächst ihre Nachbarn in Europa und dann der Rest der Welt zu spüren bekommen. Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat bereits damit begonnen, vor den Auswirkungen der Haushaltskrise in Deutschland zu warnen.

Reform der Schuldenbremse

Die OECD erklärte, dass die Schuldenbremse in Deutschland reformiert werden sollte, nicht nur aufgrund der unmittelbar erforderlichen Investitionen im Land und der schlechten Konjunkturinformationen, sondern auch aufgrund des anhaltenden Krieges in der Ukraine und einer durch diesen Krieg verursachten neuen Periode der Verteidigungspolitik sowie die Tatsache, dass geopolitische Spannungen deutsche Unternehmen treffen, und betont deren Auswirkungen auf die Märkte und Lieferketten, in denen sie tätig ist.


Friedrich MerzFoto: Reuters/K. Pfaffenbach

Nicht nur die OECD, sondern auch viele andere Ökonomen meinen, dass die Schuldenbremse kein Hindernis für Investitionen in die Zukunft Deutschlands darstellen dürfe. Allerdings fehlt im Bundesparlament derzeit die für eine Reform der Praxis erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Die Einheitsparteien CDU und CSU sind in Schwierigkeiten

Die Oppositionsparteien der Christlichen Union (CDU/CSU) sind zu keiner Änderung in dieser Frage bereit. Nach Ansicht dieser beiden Fraktionen im Parlament ist die Schuldenbremse von entscheidender Bedeutung für eine gerechte Haushaltsführung über Generationen hinweg. Friedrich Merz, zugleich Vorsitzender der CDU und Fraktionsvorsitzender der Unionsparteien, sagte, statt Änderungen an der Schuldenbremse müsse der gesellschaftliche Konsum gesenkt und das Gesetz hochgeschätzt werden von den Grünen und soll den Prozess des Verbots fossiler Heizsysteme ab 2024 beschleunigen. schlägt vor.

In diesen Fragen sind sich die oppositionellen Unionsparteien und die FDP, die in der Koalitionsregierung steht, einig. Allerdings verfügt keine dieser beiden Gruppen über eine Mehrheit im Parlament.

Eigentlich wollte der Bundestag am 1. Dezember über den Haushalt 2024 entscheiden. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es jedoch so, dass es während der Haushaltswoche heftige Diskussionen zwischen der Regierung und dem Parlament darüber geben wird, welchen Weg die finanzielle Zukunft Deutschlands einschlagen soll.

D.W.

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