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Die Asylreformen der EU werden die Aufnahme von Asylbewerbern aus der Türkei erschweren

Nach acht Jahren zäher Verhandlungen zwischen den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wurde das Paket, das Reformen im Asylverfahren vorsieht, vom Europaparlament verabschiedet. Die aus acht Artikeln bestehende Asylreform sieht vor, die Zahl der Asylsuchenden nach Europa zu verringern, Asylverfahren zu beschleunigen und diese Prozesse teilweise an die Außengrenzen der EU zu verlagern.

Das Thema Außengrenzen betrifft auch Asylanträge aus der Türkei. Da die Quote der Asylanträge aus der Türkei unter 20 Prozent liegt, können Einreisende aus der Türkei bis zu zwölf Wochen in zu errichtenden Lagern an den Grenzen festgehalten werden. In den zu errichtenden Lagern in Griechenland, Italien, Malta, Spanien, Kroatien und Südzypern wird entschieden, wer direkt in sein Land zurückgeschickt und wessen Bewerbungsunterlagen geprüft werden. Die Gesamtkapazität dieser Lager in der gesamten EU soll 30.000 Menschen betragen.

Für Personen aus Ländern mit einer Aufnahmequote von über 20 Prozent werden normale Asylverfahren angewendet. Allerdings wird es mit dem neuen Artikel möglich sein, die derzeit jahrelangen Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und diejenigen, deren Anträge abgelehnt werden, schneller abzuschieben.

Die Akzeptanzquote türkischer Staatsbürger sank auf 15 Prozent

Seit vier Jahren ist ein deutlicher Anstieg der Asylanträge in der EU zu verzeichnen. Nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat ist die Zahl der Menschen, die in EU-Ländern Erstasyl beantragen, im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 um 20,1 Prozent gestiegen und erreichte 1 Million 49.000 Menschen. In dieser Zahl sind die etwa vier Millionen Ukrainer, die ab 2022 vor dem Krieg fliehen, nicht enthalten.

Auch in der EU, insbesondere in Deutschland, ist ein bemerkenswerter Anstieg der Asylantragsquote von Türken zu verzeichnen, wobei die Staatsangehörigen der Republik Türkei nach Syrern und Afghanen an dritter Stelle stehen. Nach Angaben von Eurostat stieg die Zahl der türkischen Staatsbürger, die im Jahr 2023 in EU-Ländern Asyl beantragten, im Vergleich zu 2022 um 41.370 und erreichte 89.970. 8,6 Prozent aller Asylanträge in der EU kamen aus der Türkei. Das von den Asylbewerbern aus der Türkei am meisten bevorzugte Land war Deutschland mit 68 Prozent.


Eine Familie beantragt Asyl in Deutschland. Foto: epd

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) machten Asylanträge aus der Türkei im Jahr 2022 11 Prozent der Gesamtanträge aus, im Jahr 2023 stieg diese Quote auf 18,6 Prozent. Im Jahr 2023 beantragten 61.181 türkische Staatsangehörige in Deutschland Asyl. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden weiterhin Asylanträge aus der Türkei gestellt. Im Zeitraum Januar bis März wurden etwa 10.000 Anträge aus der Türkei registriert. An dritter Stelle rangierten diejenigen, die aus der Türkei kamen, nach Syrern und Afghanen.

Allerdings steigen die Ablehnungsquoten mit der Zahl türkischer Staatsbürger, die in Deutschland und anderen EU-Ländern Asyl beantragen. Nach Angaben des BAMF wurden von 24.131 türkischen Staatsangehörigen, über deren Anträge im Jahr 2023 in Deutschland entschieden wurde, 14.555 abgelehnt, sodass die Ablehnungsquote auf 60,3 Prozent stieg. Wurden im Jahr 2019 noch 47,7 Prozent der Anträge aus der Türkei angenommen, sank diese Quote im Jahr 2022 auf 28 Prozent und im Jahr 2023 auf 15 Prozent. 85 Prozent der Anträge aus der Türkei sind kurdischer Herkunft.

Wie wird die Belastung der Grenzländer verringert?

Im Mittelpunkt der jahrelangen Diskussionen über die Asylreform innerhalb der EU stand die Frage, wie die Lasten für Außengrenzländer wie Griechenland und Italien auf andere Mitglieder verteilt werden könnten. Mit der neuen Regelung kann das EU-Land, in dem der erste Asylantrag gestellt wurde, die Person, deren Antrag angenommen wird oder eine hohe Chance auf Annahme hat, in andere EU-Länder überweisen.

Dabei gilt die im Artikel genannte Regelung der „Solidaritätspflicht“. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, wie etwa Ungarn, können ihrer Solidaritätsverpflichtung in Form von Entschädigungszahlungen oder Personal- und Sachhilfen an das jeweilige Land nachkommen. Obwohl die Entschädigungszahlung für jeden abgelehnten Flüchtling mit 20.000 Euro angegeben ist, wird sie jeweils unterschiedlich gehandhabt, da das Entschädigungssystem in dem Artikel nicht konkret geregelt ist.

Fühlt sich ein Land belastet, kann es viele Regeln lockern und mehr Solidarität von anderen Mitgliedern einfordern. Allerdings werden 27 Mitgliedsländer gemeinsam entscheiden, wann eine solche „Krisensituation“ eintritt. Dies wird als eine Situation angesehen, die das Potenzial für politische Verhandlungen und Konflikte in den Prozessen erhöht.


Asylsuchende versuchen, über das Mittelmeer in die EU zu gelangenFoto: Paolo Santalucia/picture Alliance/AP

Länder, die Anziehungspunkte sind, werden weniger attraktiv

Viele derjenigen, die über Griechenland oder Italien in die EU einreisen und einen Asylantrag stellen, haben klare Ziele: Deutschland, Österreich, Frankreich, die Niederlande oder Belgien.

Das Land, in dem der Antrag zuerst gestellt wurde, beispielsweise Italien, ist zur Rückübernahme einer nach Deutschland eingereisten Person verpflichtet. In der Praxis geschieht dies jedoch nicht. Ziel der Asylreform ist es, die Leistungs- und Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge und Asylbewerber in den einzelnen Ländern einander anzunähern und ihre Anziehungspunkte weniger attraktiv zu machen, um eine Belastung einiger Länder zu verhindern.

Abschiebungen werden einfacher

Die Asylreform sieht eine schnellere Rückführung abgelehnter Asylanträge in ihre als „sicher“ eingestuften Herkunfts- bzw. Transitländer vor, also die Beschleunigung ihrer grenzüberschreitenden Prozesse.

Zu diesem Zweck greift die EU auf Abkommen mit Drittstaaten zurück. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang das Abkommen mit Tunesien genannt. Tunesien hatte zugesagt, seine Bürger im Austausch für finanzielle Hilfe und wirtschaftliche Vorteile der EU wieder aufzunehmen. Die tunesische Regierung wird es Personen, die aus Ländern südlich der Sahara kommen, nicht gestatten, über Tunesien nach Europa zu reisen und in ihr Hoheitsgebiet zurückgeschickt zu werden.

Ein weiteres beispielhaftes Abkommen ist das 2016 mit Türkiye unterzeichnete Flüchtlingsabkommen. Dank der Zusammenarbeit mit Türkiye konnte ein deutlicher Rückgang der Transite in die EU über die Ägäis verzeichnet werden. Da die Türkei jedoch nicht mehr bereit war, die aus Griechenland zurückgeschickten Syrer aufzunehmen, ergab sich die Notwendigkeit, das Abkommen zu erneuern und erneut auszuhandeln.


Asylsuchende erklimmen eine Mauer auf der italienischen Insel Lampedusa. Foto: Cecilia Fabiano/ZUMA Press/dpa

Wie wird Asyltourismus verhindert?

Dem neuen Gesetzentwurf zufolge sollen alle Identitätsvorgänge bei der Einreise in EU-Länder auf dem Land-, See- oder Luftweg innerhalb von sieben Tagen ab dem Ankunftsdatum umfassend erfasst werden. Biometrische Daten wie Fingerabdrücke werden nun im dabei implementierten Eurodac-System erfasst. Zuständige Behörden in allen Mitgliedstaaten haben Zugriff auf diese Informationen.

So kann beispielsweise festgestellt werden, ob ein Asylbewerber, dessen Antrag in Griechenland abgelehnt wurde, einen erneuten Antrag in Österreich stellen oder in andere Länder ausreisen kann. In dieser Form wird es für den Asylbewerber einfacher, in das Land geschickt zu werden, in dem er erstmals in die EU eingereist ist, und in das Land, aus dem er kam, abzuschieben.

Seit 2015 gab es verschiedene Versuche, die Registrierungspflicht umzusetzen, doch technische Lücken und Mängel im Eurodac-System, das nur Fingerabdrücke erfasst, ließen dies bisher nicht zu.

Warum ist die Reform umstritten?

Befürworter der Reform argumentieren, dass strengere Regeln und Praktiken, die den Grenzübertritt beschleunigen, auf lange Sicht eine abschreckende Wirkung haben werden. Sie argumentieren damit, dass bei einer Ablehnung des Asylantrags oder bei längerer Verfahrensdauer und sinkenden Bleibechancen in Europa die Zahl der Menschen, die nach Europa aufbrechen, sinken wird.

Kritiker der Reform äußern ihre Sorge darüber, dass das Recht auf Asyl in der EU ausgehöhlt wird und schutzbedürftige Personen möglicherweise abgeschoben werden, und argumentieren, dass die Reform Todesfälle im Mittelmeer nicht verhindern werde.

Was passiert nun, wie wird der Rechtsweg ablaufen?

Nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments wird der EU-Rat, bestehend aus EU-Staats- und Regierungschefs, Ende April über das Gesetzespaket abstimmen. Es gilt jedoch als sicher, dass das Paket genehmigt wird.

Nach Inkrafttreten der verschiedenen Gesetze und Verordnungen, die die Asylreform ausmachen, ist es wichtig, inwieweit die Mitgliedsländer ihren neuen Verpflichtungen nachkommen. Wird Italien beispielsweise geschlossene Grenzlager errichten? Oder werden die nord- und osteuropäischen Länder tatsächlich ihrer Solidaritätspflicht nachkommen? Es wird erwartet, dass es bis zu zwei Jahre dauern wird, bis neue Gesetze und Vorschriften umgesetzt werden. Ob die Asylreform tatsächlich zu einem Rückgang der Antragszahlen führt, wird sich daher erst in den nächsten Jahren zeigen.

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D.W.

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